Wer den Weg nicht kennt spricht gerne über seinen Kompass
Metaphern sind eine wunderbare Sache, sie ermöglichen uns über etwas zu sprechen, dass wir sonst nicht in Worte fassen können.
Metaphern können aber auch mißbraucht werden, um den Inhalt einer Rede zu vernebeln. Dabei werden gerne Bilder verwendet, die dort, wo der Inhalt fehlt ein Gefühl erzeugen. So sprechen Manager in dunklen Zeiten gerne von den „Leuchttürmen“ die sie demnächst setzen wollen. Während die inhaltliche Überzeugung dazu führt, dass die Zuhörer selbst erkennen, dass nun dies oder das so oder so zu bewerten ist, wird durch diese bildhafte Sprache ein Gefühl erzeugt, dass häufig darüber hinwegtäuschen soll, dass genau das nicht vorhanden ist.
Wenn man unter diesem Gesichtspunkt, die Rede von Angela Merkel auf dem Parteitag der CDU in Leipzig betrachtet, fällt vor allem eins auf: „Wir haben einen Kompass.“
Ein Bild, das so oft wiederholt wurde, als wäre es der wichtigste Inhalt.
Warum verwendet jemand so oft das Bild eines Kompasses?
Eine mögliche Erklärung: Genau dieses Bild zeigt auf einfache verständliche Weise worum es geht. Da politische Ideen oft sehr abstrakt sind, sind Metaphern notwendig um es verständlich zu machen.
Eine andere Erklärung: Die wiederholte Verwendung einer bestimmten Metapher oder eines Beispiels hilft den Zuhörern in einer langen Rede (die Parteitagsrede von Angela Merkel war über eine Stunde lang) geistig mitzugehen.
Eine dritte Erklärung: Wer so viele Kurswechsel hinter sich hat, wie die CDU in den letzten Monaten, sollte den Eindruck erwecken, dass man durchaus noch weiß wo es hingeht. Ein Kompass eignet sich daher gut als Metapher für den inneren Kurs, den man trotz vieler scheinbarer Kurven nicht verlassen hat. Er eignet sich aber auch um davon abzulenken, dass man den inneren Kurs verloren hat und sich nur noch vom Wind treiben lässt. Ob diese Erklärung zutrifft, kann man am Rest der Rede erkennen:
- Wird das Bild genutzt um etwas zu erklären
Zum Beispiel: Unser Ziel X können wir nur erreichen wenn wir es in all unseren kleinen und großen Entscheidungen vor Augen haben, man könnte auch sagen: wir haben einen Kompass, der uns unser Ziel X immer anzeigt. Dabei kann es notwendig sein Umwege zu gehen oder sogar umzukehren, weil ein Weg, der so aussah, als würde er uns unserem Ziel näher bringen, uns weiter davon entfehrnt. So in etwa bei ABC wo wir feststellen mussten, dass unser bisheriges Handeln zu DEF geführt hat. Wir haben uns daher entschieden in Zukunft G zu folgen und HIJ einzusetzen. Das wird uns unserem Ziel X näher bringen, denn …
- oder wird das Bild genutzt um ein Gefühl zu erzeugen, dass durch die Inhalte nicht erzeugt werden kann.
Zum Beispiel: Wir haben einen Kompass nachdem wir handeln. Unsere Ziele sind XYZ, denn das ist das Fundament unserer Firma/Partei/Verein/etc. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und stellen uns dieser Herausforderung. Wir wissen, dass uns unser klarer Kompass helfen wird Entscheidungen zu treffen. HIJ ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zu XYZ, denn nur wer mutig Entscheidungen trifft, wird das Schiff sicher in den Hafen bringen. usw.
In diesem zweiten Fall wird die eine Entscheidung (HIJ) mit vielen Bildern umpackt. Die verwendeten Bilder erklären nichts sondern verpacken die Aussage, wie ein Geschenkpapier. Es entsteht ein inneres Bild von einem klaren Weg ohne das etwas darüber gesagt wurde, worin dieser Weg besteht. Außerdem vernebeln die vielen Bilder, die nichts erklären, den Verstehensprozess des eigentlichen Inhalts – beständig wird man durch ein Bild abgelenkt.
In solchen Reden wird viel geredet, aber wenig gesagt. Statt Erklärungen und plausible Begründungen werden die Zuhörer mit Bildern belustigt.
Sprache ist nicht dazu da Inhalte vorzutäuschen sondern Inhalte auszudrücken, aber was ist z.B. in folgendem Absatz, den ich auf der CDU-Website gefunden habe gesagt:
„CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat bei der Pressekonferenz nach den Gremiensitzungen der CDU betont, dass vom 24. Parteitag der CDU Deutschlands ein starkes Signal der Stabilität ausgehen werde. „In einer Zeit, die von Zeichen der Unsicherheit geprägt ist, geht ein Zeichen der Stabilität und für einen guten Kurs in Sachen Europa von Leipzig aus“, so Gröhe.“
Worin bestand das gesendete Signal und was war das Zeichen der Stabilität?
Warum werden in dieser Zusammenfassung nur Bilder aufgelistet (Signal der Stabilität, Zeichen der Unsicherheit, Zeichen der Stabilität, guter Kurs in Sachen Europa)?
Man hätte ja auch sagen können:
In dieser Zeit in der viele Arbeitnehmer von ihrem Lohn allein nicht leben können, sind wir mit dem Beschluss zur Lohnuntergrenze einen weiteren Schritt in Richtung unserem Ideal einer sozialen Marktwirtschaft gegangen. Unserer Überzeugung nach führt diese Sicherung eines akzeptablen Lohns zu einer starken Binnennachfrage, die wir als das wirtschaftliche Fundament Deutschlands sehen. Das ist unser Signal an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Deutschland – die CDU will ein sozial gerechtes und wirtschaftlich gesundes Deutschland/Europa.
Muss man aber nicht.
In diesem Sinne:
- Achten Sie bei einer bildhaften Sprache darauf, ob die Bilder etwas verdeutlichen oder ablenken.
- Wenn von Signalen und Zeichen die Rede ist, sollte klar sein, worin das Zeichen oder Signal besteht.
- Die Verwendung bestimmter Bilder erzeugen bestimmte Gefühle – lassen Sie sich dadurch nicht die Bewertung der Inhalte abnehmen. Sie können selbst entscheiden, ob etwas ein Leuchtturm darstellt oder nicht.
Eine gute Metapher ist austauschbar, denn sie ist nur ein Bild für etwas anderes.
Danke an Ylanite Koppens und Pixabay für das Bild

